BURG-BLOG 2023 (Oberstufe)

Kommunikation in der Akrobatik: Mehr als nur körperliche Balance

Veröffentlicht am 30. August 2023 im Burg-Blog von ; zuletzt geändert: 17. September 2023
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Bilder: in Vorb.


Auf den Füßen einer anderen Person zu schweben, scheinbar schwerelos, in verschiedensten Figuren Stabilität zu finden. Überkopf, komplett schräg und abgehoben. Zahlreiche Akrobatikfiguren wirken auf den ersten Blick äußerst anspruchsvoll. Man fragt sich automatisch: Wie sind sie in diese Position gelangt? Wer überwacht welche Aspekte? Wer trägt zur Balance bei und wie viel Spannung ist erforderlich? Aber was passiert, wenn ich eine völlig andere Position als meine Basis anstrebe? Wie kommuniziere ich, während ich auf dem Kopf stehe, welche Seite mit „rechts“ gemeint ist? Wie bestimme ich oben und unten sowie vorne und hinten?

Im Gegensatz zu alleine ausgeführten Sportarten verwenden Partnerakrobatik und Acroyoga keine festen Sportgeräte wie Balken oder Plattformen. Wir verlassen uns nicht auf stabile Untergründe, auf denen beliebig gehüpft werden kann. Wenn ein Trick scheitert, resultiert das meist aus der Interaktion der beteiligten Sportler*innen.

Während ich nach einem fehlgeschlagenen Trick zuweilen fluchen oder rasch von einer Apparatur abspringen kann, gestaltet sich das bei einer empfindsamen Basis also die Person, die den Großteil der Zeit den „Flyer“ trägt) nicht so problemlos. Plötzliche Ausweichbewegungen beeinträchtigen ihr Gleichgewicht, können den Abbau der Figur unsicher machen und Verletzungen verursachen. Rasch wird offensichtlich: Akrobatik erfordert eine wohlwollende Kooperation miteinander.

Wie können wir effektiv miteinander kommunizieren?

An erster Stelle steht die Notwendigkeit, dass alle einig darüber sind, welcher Trick als nächstes geübt wird. Das schließt alle Beteiligten ein, einschließlich der Spotter – jener Personen, die den Trick durch Unterstützung begleiten und sicherer gestalten. Wir sprechen darüber, welche Bewegungen besonders schwierig sind und welche Form des Spottings am besten geeignet sind: Greift man von vorne und hinten Bauch und Rücken, so kann man die Körperdrehung gut beeinflussen. An der Hüfte von hinten lässt sich gut Gewicht herausnehmen. Von hinten unter den Armen gegriffen ergibt sich eine sehr sichere Möglichkeit, Stürze abzufangen und auch den Oberarm zu umgreifen ist eine gute Möglichkeit, um sicherzustellen, dass der Kopf nicht auf den Boden fällt und eventuelle Drehungen des Körpers zu begleiten. Das wichtigste dabei ist immer, den Kopf zu schützen.

Allerdings übernehmen nicht nur die Spotter diese Rolle: Die Basis fungiert als primärer Spotter. Bei zahlreichen Figuren, bei denen der „Flyer“ auf die Basis fällt, kann diese den „Flyer“ mithilfe ihrer Arme auffangen. Ebenso ist es ratsam, die Spannung in den Beinen zu bewahren und den „Flyer“ behutsam abzusetzen, sei es auf den Boden oder auf die Basis selbst, um Verletzungen wie Prellungen oder Zerrungen zu verhindern. Von besonderer Bedeutung ist es, die Beine rechtzeitig loszulassen, um dem „Flyer“ das eigenständige Abfangen zu ermöglichen. In einer unvorhergesehenen Situation, in der der natürliche Reflex auch den Eigenschutz einschließt, gestaltet sich das jedoch als recht knifflig.

Es ist ebenfalls wichtig, vor Beginn der Figur zu klären, wie diese anschließend aufgelöst wird. Soll der Abgang beispielsweise vom „Stuhl“, also dem Sitzen auf den gestreckten Beinen der liegenden Basis, zu deren Kopfseite erfolgen oder bevorzugt man die Fußseite?

Soll aus einem Stehen auf den Schultern einer anderen Person, dem „Two Men High“, aus 1,5 Metern Höhe direkt auf den Boden gesprungen werden oder wählt man die langsame und gelenkschonende Variante, indem man wie beim Aufgang über die Oberschenkel der Basis nach hinten wieder hinabsteigt? Hat die Basis überhaupt Erfahrung mit einem „Princess Down“ und versteht, wie damit umzugehen ist, wenn ich als „Flyer“ darauf stehe, auf diese sanfte Weise abgelassen zu werden und sind möglicherweise spontane Planänderungen möglicherweise, wenn Angst aufkommt oder jemand plötzlich die notwendige Kraft verliert?

Während der Ausführung der Figur stehen uns zahlreiche Kommunikationsmöglichkeiten zur Verfügung, wobei sowohl Körpersprache als auch verbale Kommunikation eine gleichermaßen bedeutende Rolle spielen. Um diese Kommunikation richtig zu interpretieren, ist eine langsame Bewegung erforderlich. Wenn ich beispielsweise als Base langsam ein Bein löse, erlaube ich dem „Flyer“ die Zeit, seine Spannung anzupassen und den Druck in meinen Händen sowie im verbleibenden Bein so zu regulieren, dass wir eine sichere Bewegung ausführen können. Wenn ich unerwartete, hektische Ausweichbewegungen mache, ist ein darauffolgender Sturz so gut wie vorhersehbar.

Um anzuzeigen, dass man „bereit“ ist, hat sich das sanfte Zwicken mit den Händen als übliche Geste etabliert. Dies wird von der Person ausgeführt, die bei asynchron beginnenden Bewegungsabläufen darauf wartet, dass die andere Person startet. Es gibt kaum etwas Unangenehmeres, als wenn der „Flyer“ sich in einen Handflieger, eine Hebefigur à la Dirty Dancing stürzt, während die Base noch keine stabile Position eingenommen hat.

Dieses Zwicken kann auch signalisieren, von welcher Seite aus eine Figur beginnen soll – schließlich entspricht dein “Rechts“ oft nicht meinem „Rechts“, und auf dem Kopf erscheint die Orientierung ohnehin anders. Auch die Richtungen „vorne“ und „hinten“ erhalten neue Bedeutungen; selbst die Formulierung „näher zur Hand“ kann bei vier Händen mehrdeutig sein, und selbst „oben“ und „unten“ sind gelegentlich nicht sofort ersichtlich. Und nein, die Verwendung von Himmelsrichtungen hat sich nicht bewährt (ja, ich habe das eine Weile ausprobiert und kann es nicht empfehlen). Diese Kommunikation kann mitunter ziemlich verwirrend sein, und die Ratschläge der Spotter währenddessen tragen nicht unbedingt zur Klarheit bei. Es ist besser, die Aktivität langsam zu beenden und im Nachhinein zu besprechen, was genau geschehen ist.

Individuelle Grenzen zu erkennen und offen zu kommunizieren, ist von großer Bedeutung. Wenn eine der beteiligten Personen „Ab!“ sagt, sollte die Figur umgehend und sicher abgebaut werden. Wenn eine Base bei einer vierstöckigen Pyramide „AB!“ ruft, weil sie kurz vor dem Zusammenbruch steht, ist es leider bereits zu spät, und die „Flyer“ haben kaum noch Gelegenheit, die Figur sicher abzubauen.

Nachdem eine Figur ausgeführt wurde, kann es hilfreich sein, zu fragen: „Wie hast du das gerade empfunden?“ Den persönlichen Eindruck zu teilen und bescheidene Formulierungen wie „Es wäre für mich vorteilhaft, wenn du deinen Fuß an dieser Stelle noch weiter drehen könntest, damit ich mich darauf besser setzen und mehr Halt finden kann“, zu verwenden, hilft es dem Partner oder der Partnerin, die Kritik anzumehmen. Im Gegensatz dazu führen destruktive Formulierungen wie „Du hast es nicht geschafft, deinen Fuß korrekt zu platzieren“ häufig zu Verhärtung oder Resignation. Indem man sich auf die eigenen Erfahrungen und Wünsche konzentriert und in den Antworten Raum für die Erfahrungen des Gegenübers lässt, unterstützt man ein wertschätzendes Zusammenwirken, experimentelles Lernen, gemeinsames Wachsen und den Aufbau von Vertrauen. Ein Teil dieses Prozesses gilt es ebenso, für das Teilen der Erfahrungen dankbar zu sein, um daraus zu lernen und die Erfahrung für die Beteiligten noch positiver zu gestalten.

Zum Abschluss haben wir uns gerne mithilfe einfacher Massagetechniken zum Entspannen der Beine, des Rückens und durch therapeutisches Fliegen massiert. Akrobatik stellt sowohl körperlich als auch sozial eine Herausforderung dar. Sich anschließend gegenseitig für die gemeinsame Anstrengung zu bedanken, die entstandene Belastung zu würdigen und ihre Auswirkungen durch Massagen zu mindern, trägt dazu bei, eine Atmosphäre zu schaffen, in der man gerne in einem direkten Zusammenspiel Sport ausübt.

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